Tierheimgeschichten: Die geduldige Dacky
Mitte Februar wurde ins Tierheim Komarno eine kleine verletzte Hündin eingeliefert. Autounfall, die bekannte Geschichte.
...dammt, warum lassen Leute ihre Hunde allein auf die Strasse? Dreijährige Kinder laufen auch nicht ohne Aufsicht herum...
Schmutzig, geschockt lag sie erst in der Vet. Ambulanz an der Heizung. Beide Hinterbeine kraftlos. Ein Röntgengerät ist keine Selbtsverständlichkeit bei den Tierärzten in der Provinz. Und Agnes, die TH Leiterin, fährt lieber zwei Stunden in die Hauptstadt, in eine spezialisierte Tierarztpraxis, wo alles sofort gemacht werden kann, Diagnostik und Behandlung, auch die schwierigsten OPs.
Aber diesmal stand der Spezialist nicht zur Verfügung, Kongressreise... Die verletzte Hündin konnte nicht warten. Also wurde in Komarno geröntgt, in der einzigen Ambulanz mit entsprechender Ausrüstung.
Es hiess Beckenbruch beidseitig, konservative Heilung mit Käfigregime. Das kannten wir bereits, ist doch kürzlich erst Peggy auf diese Weise nach einem Beckenbruch gesundet.
Also wurde Dacky in Decken gehüllt und auf ein Lager in der Verwaltungsbaracke gebettet. Um sie herum verschiedenen Barrieren, um eine „Käfigsituation“ zu schaffen. Dacky musste ihre Notdurft die ersten Tage und nachts sowieso unter sich machen, oder sie schleppte sich ein paar Schrittchen weiter. Tagsüber dann hat sie Agnes immer mal rausgenommen und neben ihr gestanden, bis was kam.
Normalerweise dauert nach so einem Unfall die schlimmste Zeit so 5-6 Tage, dann gehen die argsten Schmerzen zurück. Aber Dacky ochzte bei jeder noch so kleinen Bewegung, bei jedem Aufheben, bei jedem Stellungswechsel. Verdächtig...
Von den angeordneten 6 Ruhewochen ging die fünfte ins Land, Dacky immer noch nicht schmerzfrei. Da wurde es Agnes zuviel... sie vereinbarte einen Termin in der Hauptstadt und fuhr mit Dacky zum Doc.
Die bittere Realität: das Röntgenbild frisch nach dem Unfall war ungenügend... es reicht nicht die eine Darstellungsebene, mindestens zwei seien bei Beckenbrüchen erforderlich, um die Situation richtig beurteilen zu können. In Komarno machte man damals aber nur eine Ebene... und stellte eine falsche Diagnose mit verkehrter Behandlungsempfehlung. Der Beckenbruch links war von der Art, dass ein Zusammenwachsen von allein, hätte Dacky auch Monate ohne Bewegung gelegen, nie stattgefunden hätte. Es wäre eine sofortige operative Korrektur vonnöten gewesen... Jetzt war es aber für eine OP spät. Das heisst für eine operative Korrektur zu spät. In einer schwierigen OP musste verschobenen Knochenendstücke repariert werden, sonst würde Dacky ihr Leben lang Schmerzen haben.
die verschobenen Knochen
der Doc erklärt die Situation
Dacky in Narkose
Entfernt werden musste nicht nur der Femur-, d.h. der Hüftkopf, auch das engegengesetzte Endstück der stark verschobener Beckenknochens musste abgesägt werden. Die Entfernung des Hüftkopfes ist eine bekannte Massnahme z. B. auch bei einer Hüftdysplasie. Das umliegende Gewebe, Bänder, Muskel usw. übernehmen die Gelenksfunktion, der Hund kann damit normal laufen.
zwei Wochen nach der OP, vorsichtige Schritte
Nach der schweren OP wurden nochmal 6 Wochen Käfigregime verordnet. Die ersten Tage Schmerzmittel, 10 Tage Antibiotika, baldige Kontrolle beim Doc. Der krümmte vorsichtig die Stirn.... Dackys Ischiasnerv schien lädiert (meiner bald danach auch – ich musste sie ja heben, aus Solidarität!), es hiess abzuwarten, ob die Empfindlichkeit wiederhergestellt wird. Ohne Ischias keine Beweglichkeit, ohne Beweglichkeit droht die Amputation eines funktionslos gewordenen Beines...
Rekonvaleszentin Dacky – es wird alle gut!
Dacky war und ist eine super Patientin! Immerhin verbrachte sie mehr als 11 Wochen ihres Lebens ohne richtige Bewegung, ein paar Schritte zum Pipimachen, an der Leine im Garten, dann sofort wieder in die grosse Box, Klappe zu – das war ihr Leben. Die ersten zwei Wochen habe ich sie getragen – richtig, sie kam nach der OP zu mir ins Haus – aber dann der Solidaritätsischias... die Box nah an die Haustür und sie musste an der Leine einige Schritte vorsichtig auf den Rasen gehen. Wie gern würde sie den Garten erkundschaften wollen. Wie gern würde sie mit den anderen Hunden tollen wollen. Neuerdings sind Welpen zur Pflege bei mir, sie hat von allen erwachsenen Hunden bei mir die schönste Beziehung zu ihnen, sie kost sie, die Welpen strecken ihre Bäuche lang.
Und dann eine allmähliche Lockerung des Käfigregimes, Dacky darf sich im Garten bewegen, hoffentlich nicht zu früh, ich mahne sie zur Vorsicht, sie, als wusste sie es, gehorcht. Die Treppen im Garten darf sie noch gar nicht. Aber einen Sprint legt sie schon mal auf – wenn es gilt, Zudringlinge am Zaun zu ermahnen oder eingebuddeltes Leckerlie vor den anderen zu schützen. Im letzteren Fall kennt sie keinen Freund, nicht mal unter den Kleinsten...
Jetzt warten wir auf den Fellwuchs und fangen mit der Rehabilitation an. Das operierte Bein wird doch allmählich benutzt, zaghaft, aber es wird... Dacky kann bald hüpfen... vielleicht bald im endgültigem Zuhause?
Y. Neumann, 29. 4. 2007