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Fanny

Das jähe Ende eines viel zu kurzen schönen Lebens...

Rassehunde im Tierheim? Keine Seltenheit in diesem Land, mit kommerziellen Vermehrern, die nur auf Profit aus sind und unbrauchbare Tiere schnell entsorgen. Ausgemusterte Zuchttiere, weil alt oder krank, gibt es immer mal. Die Vermehrung der Tiere ist einfach, wenn man die Vorschriften und Regeln der Zucht nicht einhalten will. Ein Weibchen und ein Männchen (es reicht ein Männchen und mehrere Weibchen) von einer (oder mehreren) Moderassen auf sich allein gelassen, macht zwei Würfe pro Jahr. Mit den Welpen ist auch nicht so viel Arbeit und die Kosten halten sich in Grenzen, achtet man auf die Notwendigkeit veterinärmedizinischer Kontrollen und Behandlungen nicht. Oft keine Entwuürmungen, oft keine Impfungen. Die Welpenaufzucht einfach, Mutter Natur und Mutter Hund schaffen es. Bald gibt es dann Inserate in einschlägigen Medien, wo man von A bis Z alles kaufen kann. Oder gleich einem Aufkäufer in die Hände gedruckt. Man hört von diesen Massentransporten, die viel zu selten der Zollpolizei auffallen, mit X kleinen Welpen aller Moderrassen, viele schaffen die Strapazen der langen Fahrt nicht mal. Ich schäme mich dafür und begreife nicht, dass diesem Handwerk kein garaus gemacht werden kann.

Mehrere alte Retrieverzuchthündinnen, Milchleisten bis auf den Boden, gleich drei Westies zusammen ausgesetzt, eine ohne Gebärmutter nach einer Entzündung rausoperiert, die andere mit schwerer Ohrentzündung, der Rüde starker Leistenbruch... Bassetthündin, einige French Bulldog, eine mit gefährlicher Pyometrie, eine Notfalloperation rettete ihr das Leben – das sind nur ein paar Beispiele, die mir spontan einfallen, die in nur den zwei Tierheimen, die ich betreue, aufgekreuzt sind. Alle schön vermittelt, natürlich nach vielen medizinischen Mühen, um sie wieder auf die Beine zu kriegen.

In dem Zusammenhang muss ich die hervorragende Vermittlungsarbeit meiner detschen Vermittlungspartner dankend erwähnen. Ein Tierschutzverein, einige meist weiblichen, aber nicht nur, Tierschützer, mit uferloser Liebe zu unseren vierbeinigen Mitgeschöpfen. Ohne ihre Hilfe würden „meine“ Tierheime längst bersten... Die Vereinsleiterin hegt eine spezielle Vorliebe für die „Plattnasen“, sieht sie wo einen French Bulldog auf Tierheimseiten darben, schlägt ihr Herz höher und sie scheut keine Mühen, den für sie besonderen Hund aus dem unglücklichen Schicksal einer Tierheimabschiebung herauszubringen.


Fanny, French Bulldog Weibchen von vielleicht 3 Jahren, wurde in der Südslowakei ausgesetzt und im Tierheim einer Bezirkstadt untergebracht. Das übliche Schicksal: sie erkrankte und würde den Vermehrer Geld kosten, da sie Papilloma virus Tumore in den Ohren hatte. Eine Kaiserschnittnarbe zeugte, dass ihre Würfe eh schon mit Geldausgabe, für einen Operateur nämlich, verbunden wären. Also weg damit.

Da stand sie unter den zig Hunden im Grossauslauf des Tierheims, bucklig zusammengekauert, scheinbar teilnahmslos und meine deutsche Kollegin stöhnte still „ diese empfindliche Hundeseele...!“ Sie wurde uns als taub geschildert, was sich im nachhinein als nicht zutreffend zeigte. Ihre Ohren waren halt mit Staub und Schmutz bis oben zu. Die Wucherungen wurden vor Ort etwas weggeschabt, eine grundsätzliche Massnahme war es allerdings nicht.

Die Adoptionsbemühungen waren schwierig. Trotz einiger persönlicher Referenzen, trotz Vorführung von Perry, einem French Bulldog, der in einer äusserst kostspieligen Operation gehfähig gemacht wurde – eine angeborene Wachstumstörung der Vorderbeine liess ihn davor nur kriechen – Fanny sollte nicht ins Ausland, hiess es. Eine für mich bekannte Reaktion und Unverständnis meiner Landsleute, die die Mühen um die ausgesetzten Hunde schlicht nicht verstehen. Wieso kommen diese Leute aus dem Ausland und wollen unsere Hunde? Haben sie keine in Deutschland? Was machen die mit unseren Hunden? Ins Versuchslabor oder was?...


Am Ende gelang doch, die örtlichen Tierheimdamen zu überzeugen, Fanny wurde gechipt und mit einem EU Pass auf die Reise geschickt. Meine slowakische Kollegin holte sie dort ab und brachte sie mir entgegen, ein freundlicher Pendler, der uns öfters Hunde auf seiner Fahrt nach Deutschland mitnimmt, sollte mit Fanny weiterreisen. 650 km, eine Fahrt von 6 Stunden oder mehr, je nach dem. Aber... Fanny voll gestresst atmete in der Transportbox wie ein Dudelsack, wie eine heiß gelaufene Säge, beschleunigt, ohne Unterlass. French Bulldog und Möpse atmen durch ihre kurzen platten Nasen hörbar, bei Fanny hörte sich es in dieser Situation bedrohlich an, eine weite Reise war ihr nicht zumutbar. So kam sie zu mir.

Zunächst ein Reinigungsbad mit einem medizinischen Schampoo, sie liess sich geduldig einschamponieren, genoss es gar, dann trockenrubbeln. Die erste Nacht waren wir beide irgendwie verwirrt. Sie wusste nicht, was mit ihr passiert, nässte ein, ich hielt sie für unsauber... - ein Tag reichte aus, sie fand zu Normalität zurück und wurde zu einer normalen überaus liebebedürftigen Stubenhündin. Na ja, bei Aufregung, und das war schon mal die Erwartung einer Streicheleinheit, kamen paar Tröpfen, wie bei manchen Junghunden es vorkommen kann.

Der erste Gang zum Veterinärcheck. Fanny sah nämlich alles andere als gesund aus. Ausgemergelt, obwohl heisshungrig, die ersten Tage bekam sie mehrere kleine Portionen, damit der Magen sich dehnt. Die Ohren stinkig nach Bakterien, voller Dreck, zu. Die Haut eine Katastrophe, gerötet am Kopf und in den Achseln und Leisten, juckend, sie knabberte an ihren Zehen und wälzte sich am Boden, weil alles juckte. Das Blutbild soweit normal. Die Ohren wurden täglich gespült, eine schwarze Brühe lief raus. Unter einer eingeleiteten Antibiotikatherapie konnte sie bald kastriert werden, sie vertrug alles mit Bravour, keine Probleme mit Herz oder Lunge, sie hielt sich tapfer, lief freudig jeden Tag in die Vet-Ambulanz, legte sich sozusagen freiwillig auf den Behandlungstisch.


Die ersten Tage dienten dem Kennenlernen. Ich vermutete Probleme mit dem Alleinsein, Fanny jammerte und weinte mit hoher Klagestimme, sobald ich aus dem Raum war. Sie blieb wie angewurzelt an der Stelle stehen, wo sie micht zuletzt sah und verharrte, bis ich wieder zurück war. Erst dann sprang sie wieder in einen Sessel und rollte sich zusammen. Aber nach wenigen Tagen gewann sie das nötige Vertrauen und blieb auch allein, resp. mit meinen Hündinnen. Schlafen musste sie in einem anderen Raum, wegen dem lauten Schnarchen... machte ich die Tür hinter ihr zu, hörte ich bald verdächtige Geräusche, Knall und so. Schaute ich rein, sprang sie eben schnell vom Tisch, wo sie etwas aufräumte... Überhaupt war sie wendiger als ich ihr zutraute. Dieses kompakte Hündchen mit grossen runden Kopf und kindlichen Kulleraugen. Von wegen gemächlich. Wollte sie, gab sie Gas und sprintete. Vor allem wenn eine volle Schüssel rief.

Autofahren war Fannys Hobby. Sie sprang freudigst rein und wollte gar nicht aussteigen. Habe ich sie bei einer Tür rausgelassen, sprang sie bei einer anderen wieder rein. So haben wir auch das Boxfahren trainiert, in einer XXXL Box, so für einen ausgewachsenen Labrador, damit ja kein Engegefühl entsteht. Täglich zum Doc, in der grossen Box, Fanny sah sich um, kuschelte sich bald ein und verschnarchte die Fahrt. Nach 10 Tagen war sie für die grosse Fahrt in ihr endgültiges Zuhause bereit, die nächste Fahrgelegenheit war die ihre.

In Deutschland sehnsüchtig erwartet, sofort in die Arme genommen, schon die erste Nacht bei neuem Frauchen im Bett geschlafen. Ein wunderschönes neues Leben konnte beginnen!

Aber – das Schicksal wollte es anders... Schon 5 Tage später musste der Ohrtumor in einer Notoperation entfernt werden, da er sich mit eiternder Entzündung bemerkbar machte. Eine mehrstündige Operation, das Ausmass der Wucherung per CT dokumentiert, davor nicht einsehbar. Fanny hörte zu atmen auf.. ich bekam die verzweifelte Nachricht über ihren Gang über die Regenbogenbrücke, wo nichts mehr weh tut...

"Diese Zeilen zu schreiben, fällt mir schwer sehr schwer. Unser kleine Fanny hat leider nur 5 Tage bei uns leben dürfen…..sie ist in dieser Nacht über die Regenbogenbrücke gegangen. Ihr Zustand konnte seit gestern leider nicht stabilisiert werden. Da die OP und das CT sehr lange gedauert haben (ca. 6 Stunden) und Fanny leider durch ihren schlechten körperlichen Zustand nicht genügend Kraftreserven hatte, haben wir sie in der Nacht ihren letzten Weg in Ruhe gehen lassen. Fanny konnte nicht von allein atmen, hing nur an der Sauerstoffmaschine und auch nachdem ein Tubus gesetzt wurde, konnte der Zustand nicht stabilisiert werden. Fanny hat den Kampf verloren, zu weit schon hatte sich der Tumor in das Innere des Kopfes gefressen und die Entzündung mit dem Eiter hat leider ihr übriges getan.

Wir schlimm es ist, diese kleine Seele verloren zu haben, kann ich in Worten nicht ausdrücken. Es war ihr leider nicht vergönnt, ein schönes Leben bei uns zu führen. Mein einziger Trost ist, dass Fanny die letzten Tage bei meiner Mutter den Himmel auf Erden hatte. Wir sind leider zu spät mit unserer Hilfe gekommen und es tut so weh! Fanny wird jetzt hier auf unserem Grundstück in aller Ruhe beerdigt im Beisein ihrer engsten Familie. Sie fehlt uns sehr und wird ab jetzt immer in unseren Herzen wohnen."

Y. Neumannová, 18. 5. 2009

    

 
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