PUSSY aus dem Wasser
Da staunte eine Spaziergängerin nicht schlecht: im Bachlauf paddelte ein Hündchen, paddelte um sein Leben, konnte nicht an der Uferböschung hoch. Helfende Hände haben es hochgehoben, in ein Mantel gewickelt und nach Hause genommen. Ein klitzekleines vierbeiniges Wesen, das silbergraue Fell so verfilzt, dass man nicht sah, wo vorn und wo hinten war. Ein warmes Bad, trockenrubbeln und zum Doc: soweit gesund, aber blind... Das verfilzte Fell musste geschoren werden, das bibbernde Bündel kam ins Tierheim und bald darauf in häusliche Pflege.
So wurde sie gefunden, in einem Bach, konnte sich aus dem Wasser nicht befreien. Das lange Fell total verfilzt, Augen trüb, das Fell davor verschorft. Wie sie in die Fluten kam, werden wir nicht mehr erfahren. Erst dem Doc vorgestellt, dann das Fell notdürftig geschoren. Ins Gesicht, an die Augen konnte man nicht drankommen, sie hatte Schmerzen und schnappte nach jeder Hand, die ihr vors Gesicht kam.
In einem Zimmer im Tierheim kauerte sie in einem Sessel, zitterte vor sich hin, horchte dem Gebell der vielen Hunde, es machte ihr Angst. Sie sah ja nichts...
Die kleine bekam den süssen Namen Pussy... Die ersten Stunden eckte sie überall an, aber binnen Stunden hatte sie soviel Orientierung gewonnen, dass sie relativ sicher durch die Räume und Garten ging. Passte sich der Situation erstaunlich schnell an, weitere Hunde im Haus waren ihr mehr als recht. Stubenrein, ganz leise, meistens lag sie still herum – nicht im Körbchen, sie kannte wohl nur den blanken Boden. Wurde sie aber in ein kuscheliges Körbchen gehoben, rollte sie sich ein und schlief.
Die Fachuntersuchung beim Augenarzt bestätigte eine schlimme Hornhautentzündung links, als Folge einer Linsenablösung. Wie lang die Entzündung schon anhielt, wusste man natürlich nicht, aber der Zustand, in dem die kleine Hündin vorgefunden wurde, lies einen langdauernden Verlauf vermuten. Rechts sah es etwas besser aus, dort bestand die Hoffnung, mit einer Linsenoperation, dem Einsetzen einer künstlichen Linse, das Augenlicht einigermassen wiederherstellen zu können.
Auch die augensonographische Untersuchung bestätigte die Diagnose: Links eine bereits vollständig abgelöste Linse, das Auge nicht mehr zu retten, rechts eine fortgeschrittene Linsentrübung, aktuell sah sie auf das Auge vielleicht eben Licht und Dunkel. Die getrübte Linse muss entfernt werden, um ein ähnliches Fortschreiten wie links zu vermeiden. Ohne Linse ginge es auch, sie würde schattenhaft sehen, weil die getrübte Linse nicht mehr im Wege steht. Mit dem Einsetzen einer künstlichen Linse würde man Pussy das Sehvermögen zurückschenken.
Die Kleine ist sowas von lieb und geduldig, das treibt einem direkt Tränen in die Augen! Sie lässt sich geduldig die kranken Äuglein reinigen, Tropfen einträufeln, OP Hemdchen nach der Kastration überstreifen. Sie macht ihr Pipi draussen im Garten und törkelt dann, mehr oder wenig erfolgreich zurück. Wenn sie einmal den Weg kennt, geht sie ziemlich zielsicher, allerdings sind die Höhenunterschiede öfters hinderlich.
Sie geht vorsichtig, Köpfchen nach unten geneigt, oft stosst sie an, aber sie geht schon so vorsichtig, dass es nicht stark ist - als rechne sie stets damit, dass ein Gegenstand oder Wand kommen.
Köpfchen stets auf Empfang, sie hört auf Zuruf und folgt der Stimme.
Dann wurde endlich ein OP Termin ausgemacht. Am rechten Auge wurde die starre, total trübe Linse rausgenommen. Sie stand ja wie ein Brett vor dem soweit gesunden Augenhintergrund. Wenn dieses "Brett" raus ist, wird Pussy auf dem Auge einigermassen sehen, allerdings ohne fokusieren zu können, also verschwommen.
Links vor der OP, rechts danach.
Der postoperative Verlauf nicht zufriedenstellend, im Auge bildete sich ein Wundsekret, das dort nicht gehörte. Pussy brauchte beinahe 2 Tage, um sich aus der Narkose einigermassen zu erholen. Sehen tat sie immer noch nichts, wegen diesem Wundsekret? Trotz der angeschlagenen Leber bekam sie doch auch einige Cortisonspritzen, ausser täglich Antibiotika plus cortisonhaltige und antibiotische Augentropfen alle 2-3 Stunden.Wiederholt bei der Augenkontrolle, leider... sie sieht nicht wieder. Nur ein Schimmer von Lichtempfindlichkeit. Enttäuschend, aber die OP war nicht umsonst. Die starre Linse musste so oder so raus, damit sie nicht berstet und ein ähnliches Unheil anrichtet wie die bei dem linken Auge.
Die Netzhaut und der Sehnerv rechts sind, soweit der Doc sehen kann, intakt, er vermutet dann, dass doch tiefere Abschnitte durch die jahrelange Vernachlässigung in Mitleidenschaft geraten sind. Pussy bleibt blind, sie kommt besser damit klar als wir, Menschen...
Zwei Wochen nach der OP holten sie meine Freundin und ihr Mann aus NRW ab, ins neue Zuhause. Pussys grosser Bruder Scottie war mit von der Partei. Pussy lag im Auto ihrem neuen Frauchen im Schoss, Kopf auf meinem alten Nachthemd... - der Abschied fiel schwer, ich wusste sie aber in den besten Händen und das ist gut so!
Im Schoss des neuen Frauchens...
Bald danach dann nur gute Nachrichten vom Zuhause:
Die kleine Maus hat sich gut eingelebt, besetzt mit Freuden Sofa, Sessel und Bett, überall dort wo es kuschelig ist. Alles in allem ist das neue Leben ganz schön aufgregend, neue Geräusche, wir hören viel Musik, neue Gerüche, viel unternehmen....die Maus ist immer ganz kaputt und schläft dann tief und fest, zum letzten Pipi abends muss sie regelrecht geweckt werden. Wenn sie raus muss sitzt sie geduldig vor der Tür und wartet bis es jemand sieht. Sie ist ein absolut liebes Hündchen.
Sie scheint jetzt richtig angekommen zu sein, sie fängt an, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu spielen und animiert zum Bauchi kraulen indem sie sich auf den Rücken legt und alle Viere in die Luft streckt....sie ist in allem viel sicherer geworden, eckt auch nicht mehr an jede Solarlampe draussen
und hört gut auf den Klicker! Es macht viel Freude mit ihr .....jeden morgen geht es "Gassi", soll heissen, sie darf erst ohne Leine lostoben, und sie hat eine affenartige Geschwindigkeit drauf, wenn der erste Drang fort ist kommt sie an die Leine und sie geht inzwischen vorbildlich, allein dass sie mir öfter noch in die Hacken läuft müssen wir noch abstellen. Aber sie geht halt gerne hinterher, denke, sie hat dann die bessere Orientierung.
Y. Neumann 19. 8. 2011
Traurige Nachricht aus Pussys neuem Zuhause: ihr grosser Bruder Scotty, 12 Jahre, ein riesiger altdeutscher Schäferhund, ein liebes Bärchen, verstarb drei Wochen nach Pussys Einzug ... So spendet Pussy Trost, sie nimmt sich die Liebe und Aufmerksamkeit ihrer neuen Menschen mit einer Bestimmtheit und Liebenswürdigkeit, die über den schmerzlichen Verlust eines langjährigen Freundes etwas hinweghilft. |