Tierheim Komarno. Die Wohnung einer Aktivistin befindet sich unweit des Tierheimes in einer ländlichen Gegend, nur wenige Häuser, Stallungen, Hühner...Da kennt man jedes Hundegebell und wunderte sich, als einige Tage ein fremdes zu hören war. Tief, anders als die gewohnten Töne der Hunde rundherum.
Und dann fand man am Straßenrand zusammengekauert eine Bassetthündin, schmutzig, nass vom Regen, hungrig, sehr hungrig. Nahm sie auf, putzte und trocknete sie, gab ihr zum Fressen - sie konnte nicht aufhören - und als sie bellte, wusste man:
diese Hündin irrte 3 Tage lang in der Gegend herum.
Ihr überhängender Bauch fiel auf, wurde untersucht. Eine Bauchnarbe, wahrscheinlich nach einem Kaiserschnitt, zog sich entlang der Mitte. Das Gesäuse lang wie die Ohren...
Keiner suchte sie. Vermutlich eine Zuchthündin aus einer Hinterhofzüchtung, eine Tätowierung hatte sie nicht. Im nahen Ungarn sind die Bassetts populär. Hatte sie ausgedient, wegen einer Gebärmutterentzündung vielleicht nicht mehr brauchbar, wurde sie ausgesetzt.
Sie kam in das Welpengehege. War ruhig, freundlich, nur beim Fressen kannte sie keinen Freund... Der Sohn der Aktivistin saß oft mit ihr in Papas Tischlerwerkstatt auf einer Matratze, streichelte sie, oft schliefen beide zusammenkauernd ein.
Die Ultraschalluntersuchung entdeckte einen Bauchbruch, eine Einwachsung der Bauchorgane wurde vermutet. Eine Operation war fällig und zwar bald. Sie kam nach Bratislava, in häusliche Pflege und wurde operiert. Die Operation dauerte 2,5 Stunden. In dem Bruch waren tatsächlich Innenorgane eingewachsen, nichts war mehr dort, wo es hingehörte. Die Gebärmutter und die Harnblase befanden sich bereits fest drin. Wie es möglich war? Der Kaiserschnitt wurde unprofessionell und mit unsterilen Nähmaterial durchgeführt. Platzten Nähte im frühen postoperativen Stadium, ließ das Gewebe nach, ein Bruch entstand. Durch den entzündlichen Prozess kam es zu Verwachsungen.
Kleiner Nebenbefund: stark entzündete Ohren durch Schmutz, ein Trommelfell geplatzt. Krallen lang, diese Hündin kannte keine Spaziergänge...
Bassetka, die erst später den Namen Chou-Chou (Liebling) bekam, ließ alles über sich ergehen, mit stoischer Ruhe und Gelassenheit. Keine Spritze war ihr zuviel, keine Blutabnahme, Hautprobe wegen einem Ekzem. Nicht ein wiederholtes Bad, um den Schmutz der Außenunterbringung wegzukriegen. Sie lernte schnell die Vorzüge der Familienhaltung kennen. Ihr Vorbild waren die Haushunde. Es brauchte nur zwei Tage und sie eroberte alle Sesselplätze. Um ihr die Halskrause nach der Operation zu ersparen und sie ständig unter Kontrolle zu haben, schlief sie nachts neben meinem Bett. Mein Kater dürfte rein. Sie versuchte es sogleich und schaffte es nur nicht, weil es ein erhöhtes Bett ist.
Schmusen ist ihr liebstes Hobby. Bitte, bitte, nicht aufhören!
Sie wich mir nicht von der Seite. Manchmal direkt lästig, aber ihr Bedürfnis, nicht mehr zu verlieren, was sie endlich hatte, war enorm.
Im Sozialverhalten machte sie täglich Fortschritte. Anfangs etwas zurückgezogen, der Pflegewelpe Georgie schien ihr auf den Wecker zu fallen. Die Haushündin akzeptierte sie nach anfänglichem Keifen, der Haushund, ein alter Herr, schnupperte an ihr ausgiebigst und lies es für den Rest der Zeit sein.
Am Ende der Zeit in meinem Haushalt, bevor sie in ihr neues Zuhause zog, war sie voll integriert. Sie spielte ausgelassen mit dem Welpen, ich musste sie mäßigen, immerhin hatte sie eine lange frische Bauchnaht. Sie forderte den alten Ignoranten, den Haushund, zum Spielen auf.
Sie wirkte so glücklich, wie sie sich im Gras wälzte und in die Sonne blinzelte.
Von Anfang an wurde an ihrer Vermittlung gearbeitet. Übers Internet, im In- und Ausland. Interessenten gab es einige. Einmal waren wir gar vorstellig, ein Superzuhause mit Haus, Riesengarten, zwei Hunden und tierlieben Menschen. Aber... sie roch nach der Operation, bei der sie gleichzeitig kastriert wurde, irgendwie verdächtig und der Rüde bestieg sie stetig. Sie zog den Schwanz voller Angst ein und verteidigte sich vehement. Sicher, es wäre bald verflogen, aber auch nur wenige Tage Stress waren nicht nötig, gab es doch bereits einen sehr schönen Platz in Sicht.
Mit Hilfe des Bassettklubs Österreich erhielt ich den Namen eines Interessenten in der Zentralschweiz. Ein Bassettkenner und -liebhaber. Schon immer Bassetts gehabt, Haus, Garten, immer jemand im Haus... in einer katholischen Pfarre.
Zentralschweiz - nun, der nächster Weg... Wie bekommen wir Bassetka hin? Erst mal musste ich nachschauen, wo das eigentlich ist. Läppische 850 km... ich gebe zu, dass ich schon über eine kleine Ferienreise nachgedacht habe. Aber die Zeit, woher nehmen... Ja, da habe ich wieder einen Hilfsschrei losgelassen - wie immer, fand sich eine Lösung. Es war wieder jemand aus dem Bassettklub, der den Veterinär gefragt hat und der kannte eine Praktikantin, die vielleicht - ja, sie fuhr Bassetka extra in die Schweiz!
Der Abschied fiel Bassetka nicht mal so schwer, wurde sie doch während der ganzen Fahrten immer von jemanden gestreichelt. Ihrem Haupthobby frönend kam sie im neuen Zuhause an. Das ist aber eine neue Geschichte...
Y. Neumann, 21. 8. 2005