Meine zierliche Bassethündin, die als Findelhund aus Bratislava seit 4 Monaten im Pfarrhaus ein neues Daheim gefunden hat, habe ich Chou-Chou (Liebling) getauft. Der Name passte, meiner Meinung nach, ausgezeichnet zu ihr. Von allem Anfang an war sie überaus anhänglich und freundlich, klein und wieselflink und eroberte sich mit ihrem unvergleichlichen Charme nicht nur das Pfarrhaus, sondern auch die Herzen der Pfarrhausbewohner (Pfarrer, Haushälterin und Bassethound Willi).
Willi war, als typischer Brite, anfänglich not amused, denn er ist als King size Ausgabe (XXL) eher für Ruhe und Gemütlichkeit. Während er sich durch nichts (ausser durch Geräusche in der Küche) aus der Ruhe und aus seinem Korb bringen lässt, interessierte sich Chou-Chou für alles und jedes und inspizierte sozusagen stündlich ob alles seine Ordnung habe. Nachts verbringt sie tief schnarchend eng an meiner Seite. Bis vor zwei Wochen, als sie sich plötzlich entschloss nach dem gewohnten mitternächtlichen letzten Rundgang im Garten, im unteren Hausbereich im TV Zimmer auf dem Sofa zu nächtigen. Für mich ein vorerst unerklärlicher Entschluss, zumal sie nach zwei Nächten ihren üblichen Schlafplatz in meinem Bett wieder einnahm. Ihre offensichtliche Unruhe, die ich einer vorübergehenden Unpässlichkeit zugeschrieben hatte, war aber, wie sich gestern herausstellte, anders begründet.
Wiederum wollte Chou-Chou sich nicht mit mir zusammen zur Ruhe begeben. Mitten in der Nacht hörte ich sie bellen, gar nicht lady like, eher aufgeregt. Mit ihrer hohen, japsenden Stimme, weckte sie das ganze Haus. Magenbeschwerden ? Schon wieder ? Schlaftrunken machte ich mich auf den Weg nach unten und traf, zu meinem Erstaunen auch den trägen Willi, beide Hunde an der Tür zum Garten. Und als ich die Tür öffnen wollte, entdeckte ich, dass sie aufgebrochen worden war. Ein Einbrecher hatte versucht sich Zugang zu verschaffen und die schwere Türe aufgestemmt. Die Holzsplitter am Boden und das geknackte Schloss bewiesen, dass der ungebetene Eindringling bereits so weit gewesen war das Haus zu betreten.
Offensichtlich hatte er aber die Rechnung ohne Chou-Chou gemacht. Hinter der Türe energisch reklamierend verunsicherte Chou-Chou ihn derart, dass er die Flucht ergriff, buchstäblich über alle sieben Berge. Die herbeigerufene Polizei machte grosse Augen, als sie zur Spurensicherung eintraf und sich vorsichtig bei mir vergewissern wollte, ob ich denn auch den Wachhund sicher verwahrt hätte, damit sie ohne Gefährdung von Leib und Leben ihre Arbeit tun könne, und dann die kleine Chou-Chou sie eifrig wedelnd begrüsste. Ich liess mir amtlich bestätigen, dass ein Hund eben die beste Alarmanlage sei (beim schnarchenden Willi wäre ich mir da nicht so sicher), egal welcher Grösse. Eigentlich müsste, so gesehen, die Versicherung auch die Hundesteuer bezahlen, nicht wahr ?
Nun bin ich in einem Gewissenskonflikt. Werde ich mit dem Namen Chou-Chou meiner Bassethündin gerecht oder ist er eine Beleidigung ? Sollte sie nicht eher Zerberus heissen, wie der Höllenhund, der den Eingang zum Hades bewachte ?
Aufmerksam, mutig, unerschrocken und sehr selbstbewusst ? Weitere Spuren an der Türe weisen nämlich darauf hin, dass schon früher ein Einbruchversuch stattgefunden haben musste, just in den zwei Nächten wahrscheinlich, in denen Chou-Chou sich partout nicht ins übliche Schlafgemach zurückziehen wollte und nicht an übermässigem Harndrang (seniler Bettflucht) litt, sondern feinfühlig Ungewohntes wahrnahm und für alle Fälle auf Pikett blieb.
Trotzdem, oder jetzt erst recht, mein kleiner Zerberus bleibt mein Liebling Chou-Chou ! Willi nimmts gelassen, er fühlt sich auch sicherer, Chou-Chou sei Dank.
Pfr.Jürg Thurnheer, 2.12.2005